Unabhängige Plattform für Betroffene, Patienten, Ärzte, Angehörige und Juristen rund um das Thema Zwangsmedikation

Hinweise

Diese Internetseite soll einen kurzen Überblick über ein schwieriges Thema verschaffen: Medikation oder sonstige medizinische Massnahmen gegen den Willen der Person, die behandelt wird. Helfen Sie mit, diese Seite am Leben zu halten, indem Sie uns einfach eine E-Mail mit Anregungen schicken. 

Gesetzesartikel zum Thema:
- Art. 380 ZGB - Art. 426 ZGB - Massnahmen, Recht ein Entlassungsgesuch zu stellen - Rechte der Ärzte - Inhalt eines Formulars für Fürsorgerische Unterbringung - Medizinische Massnahmen ohne Zustimmung - Vorgehen bei medizinischen Notfällen

Die Rechtssprechung des Zürcher Obergerichts zum Thema Fürsorgerische Unterbringung ist einer über 1100 seitigen PDF enthalten. Obergericht Kanton Zürich Rechtssprechung Fürsorgerische Unterbringung

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— (c) 2018-2019  - Raphael M. Schmid, Rechtsanwalt

Übersicht

  1. Es gilt der Grundsatz: Keine Behandlung ohne Einwilligung (Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften [SAMW] - Richtlinie "Zwangsmassnahmen in der Medizin" sowie Praxis der Gerichte).
  2. Es kann jedoch Ausnahmen geben:
    1. Die Person ist im Koma oder in einem Zustand der Urteilsunfähigkeit.
    2. Ein Richter hat eine Behandlung gegen den Willen angeordnet (Strafrecht, bspw. Suchtbehandlung etc.).
    3. Es werden Neuroleptika in Form einer medizinischen Massnahme insb. bei einer aktuen Psychose bspw. im Rahmen einer Schizophrenie angeordnet ("Zwangsspritze", im Volkmund auch "Beruhigungsspritze" genannt).
  3. Das Schweizerische Zivilgesetzbuch [ZGB] regelt im Abschnitt ("Die fürsorgerische Unterbringung") in den Art. 426 ff. die Zuständigkeit und das Verfahren von Zwangseinweisungen in psychiatrische Kliniken. Ärzte können  Personen, die an einer schweren psychischen Störung, einer Verwahrlosung, einer Sucht etc. leiden, gegen den Willen in eine Klinik einweisen oder dort zurückbehalten
  4. Im Artikel 434 ZGB wird zusätzlich zum Instrument einer Zwangseinweisung "FU" auch noch festgehalten, dass eine (medikamentöse) Behandlung gegen den Willen einer betroffenen Person durch den Chefarzt oder die Chefärztin angeordnet werden kann.
  5. Es gibt bspw. im Falle einer diagnostizierten Schizophrenie auch die Möglichkeit, dass eine Zwangsbehandlung auch ohne einen Freiheitsentzug per FU angeordnet werden kann. Zuständig dürfte in der Regel (je nach Kanton) die KESB am Wohnort des Betroffenen (Patient) sein.

Weiteres

Diese Internetseite entstand aufgrund eines konkreten Falles aus der Deutschschweiz eines Betroffenen, der sich mit Hilfe des Vereins PSYCHEXODUS gegen eine laufende Massnahme einer Zwangsmedikation zur Wehr setzte. In diesem Zusammenhang erfolgten diverse Recherchen der Rechts- und Sachlage zu diesem Thema. Die Ergebnisse werden hier in Kurzform dargestellt.

Im Frühjahr/Sommer 2019 kommt es zum Zerwürfnis zwischen PSYCHEX und dem Autor dieser Webseite. Wegen zahlreichen negativen Indizien muss der Autor dieser Webseite PATIENTEN grundsätzlich davor warnen, die Dienste von PSYCHEX in Anspruch zu nehmen. PSYCHEX hat - wie die Zeitschrift BEOBACHTER bereits im Jahr 2015 festgestellt hat - leider sektiererische Züge. Dennoch sei unbedingt das Lebenswerk des Gründers von PSYCHEX, Rechtsanwalt a.D. Edmund Schönenberger, der sich seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts massgebend und mit Erfolg für Patientenrechte in der Schweiz eingesetzt hat, in Ehren zu halten.

Der Autor dieser Internetseite empfiehlt als Alternative zu PSYCHEX einer Person, die sich in einer Fürsorgerischen Unterbringung befindet und rechtliche Unterstützung für eine Überprüfung dieser Fürsorgerischen Unterbringung wünscht, sich direkt an einen Anwalt zu wenden.

Ziel dieser Internetseite

  1. Das Thema ist von öffentlichem Interesse
    (die NZZ berichtete im Januar 2013, März 2013 und im April 2011 darüber, der BEOBACHTER berichtete insb kritisch zu PSYCHEX hier und hier - der Tagesanzeiger hier)
    ,
  2. In der Schweiz gab es im Jahr 2009 über 11'000 unfreiwillige Einweisungen in eine Psychiatrie,
    (Quelle: Jürg Gassmann,
    Wirksamkeit des Rechtsschutzes bei psychiatrischen Zwangseinweisungen in der Schweiz, September 2011 im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit, der wiederum die Medizische Statistik der Krankenhäuser (BFS) zitiert),
  3. Das Bundesgericht befasste sich in den Leitentscheiden (publiziert in der amtlichen Sammlung) BGE 143 III 337, in BGE 130 I 16, in BGE 127 I 6 und in BGE 126 I 6 mit der Thematik der Zwangsmedikation,
  4. Der bekannte Jurist Eugen Bucher kommentierte diese Entscheide in der Zeitschrift des Bernerischen Juristenvereins [ZBJV] 137/2001 auf Seite 764 ff
    (Das Horror-Konstrukt der "Zwangsmedikation": zweimal (ohne Zuständigkeit) ein Ausflug ins juristische Nirwana // zu BGE 126 I 112-121 und BGE 127 I 6-30).
  5. Eugen Bucher schreibt auf Seite 791 über den Spezialfall der Schizophrenie: Bei dieser Krankheit ist es geradezu ein Symptom der Erkrankung, dass die Betroffenen sich selber weder als krank noch als behandlungsbedürftig ansehen
    (was wohl so ziemlich bei allen anderen Krankheiten genau eben nicht der Fall wäre).
  6. Der Jurist/Rechtsprofessor Prof.Dr.iur. Eugen Bucher ist im genannten Aufsatz der Ansicht, dass wenn ein Patient an einer Schizophrenie leidet, ihm die Urteilsfähigkeit im Sinne des Zivilgesetzbuches fehlt und deshalb Zwang an ihm anzuwenden ist.
  7. Allerdings ist der Begriff "Schizophrenie" kein juristischer Begriff und sofern diese Person weder sich selber noch Dritte ernsthaft in Gefahr bringt, besteht keine Grundlage für eine Behandlung gegen den Willen dieses Patienten.
  8. Auf den Seiten 797 ff. schreibt Eugen Bucher eindrücklich über eigene Erlebnisse mit Personen, die von Ärzten als schizophren gekenntzeichnet worden sind.
  9. Laut Wikipedia ist rund einer von hundert Menschen von der Krankheit 'Schizophrenie' betroffen.
    Die Folgen dieser Krankheit teilen sich auf in drei Drittel:
    a) Suizid oder lebenslange Verwahrlosung/Hospitalisierung etc.,
    b) lebensjange Therapie aber Fähigkeit, ein eigenständiges Leben ggf. mit Erwerbstätigkeit zu führen und
    c) Heilung
  10. Persönliche Ansicht von Raphael M. Schmid: Bei einer Wahrscheinlichkeit von einem Drittel, dass das Leben entweder aus sich selbst heraus beendet wird (sei es als Kommando der berühmt berüchtigten "Stimmen im Kopf", sei es aufgrund Verwahrlosung/Obdachlosigkeit etc., sei es durch bewusste Selbsttötung) oder mehr oder weniger "ungeniessbar" aufgrund einer sog. Chronifizierung werden könnte, stellt sich im Sinne der Verhältnismässigkeit natürlich schon die Frage, ob die Injektion eines "Gegengiftes" (in Form eines akut wirkenden Neuroleptikas oder auch in Form einer Depot-Spritze) gegen die Erkrankung trotz den massiven Nebenwirkungen von Neuroleptika wie bspw. Haldol, Fluanxol etc. zur möglichen Schadensbegrenzung zwangsweise angewendet werden kann und muss, oder nicht.
  11. Allenfalls kann diese Seite als neutrale Plattform zwischen gegenläufigen Ansichten zur Thematik vermitteln, indem beide Aspekte (Menschenrecht/Antipsychiatrie, Ärtzeschaft/Angehörige) beleuchtet werden.
Allgemein muss an dieser dringend angeraten werden: Aus der eigenen Wahrnehmung/Erfahrung und Recherche über dieses ausserordentlich schwierige Thema ist Rechtsanwalt Raphael M. Schmid im Juli 2019 entschieden der Ansicht, dass die Ärzteschaft bei der Diagnose eines psychotischen Zustandes nicht zögern sollen, tatsächlich eine Zwangsbehandlung anzuordnen. Falls Entscheidungsträger sich auf dieser Internetseite hier informieren, so liegt womöglich bereits ein "Grenzfall" vor. Ich möchte Sie ganz persönlich ermutigen - insb. auch gegen den Willen der Angehörigen insb. die Mütter der Betroffenen - machen Sie den Schritt und ordnen Sie die Behandlung an. Die Angehörigen sind - so meine persönliche Einschätzung - in einer Art "Verblendung" und können die Realität nicht akzeptieren, dass das eigene Kind einer so schweren Diagnose unterliegt. Zudem ist - leider - insb. bei den eigenen Eltern besondere Vorsicht geboten, da diese auch aus ganz persönlichen Gründen nicht unabhängig sind (Stichwort: Stigmatisierung, die auch die Eltern trifft).

Wo gibt es konkrete Hilfe

Beim Verein PSYCHEXODUS ist - wie oben erwähnt - grosse Vorsicht geboten. Dennoch scheint dieser Verein die einzige Plattform in der Schweiz zu sein, die für das Stellen eines Entlassungsgesuchs eine Anwältin oder einen Anwalt vermittelt. Ohne einen Anwalt sei offenbar die "Quote", um zu obsiegen, sehr gering.

An dieser Stelle muss aus praktischen Überlegungen unbedingt geraten werden, NICHT PSYCHEX zu kontaktieren. Denn diese vertreten abstruse, sektiererische Theorien, bestehend aus linksextremistischen Weltansichten und skurrilen Verschwörungstheoreien. Leider wird man zwangläufig damit eingedeckt, wenn bei PSYCHEX um Hilfe ersucht wird.

Immer wieder wird seitens der Anti-Psychiatrie dem Geld die Schuld an allem gegeben und die Pharmaindustrie als Ursache von Leid und Übel dargestellt. Diese skurrilen Ideen sind - wie die allermeisten anderen Verschwörungstheoriene auch - zu einseitig und damit unter dem Strich wohl falsch. Die langjährige Vereinssekretärin Christa Simmen sagte gegenüber dem Autor dieser Webseite mehrfach, sie habe die Nase gestrichen voll von den Theorien von Edmund Schönenberger. Dennoch wird diese - leider - als (einzige) Arbeitnehmerin in der Schweiz von den Schönenbergers aus Serbien heraus gezwungen, genau diese Theorien an Hilfesuchende zu verbreiten.

Anstatt PSYCHEX zu beauftragen, kann direkt mit einer Anwältin oder einem Anwalt Kontakt aufgenommen werden. Im Kanton Zürich ergibt die Anwaltssuche des SAV (CH-Anwaltsverband) mehr als 80 Treffer für das Fachgebiet "Kindes- und Erwachsenenschutzrecht". Diese Anwaltssuche gibt immer 10 zufällig ausgewählte Anwälte im gesuchten Fachgebiet. Diese können einfach abtelefoniert werden. Wenn die Chemie stimmt und die Anwältin oder der Anwalt Zeit hat, dann läuft das ganze. 

TIPP: Erwähnen Sie gegenüber der Anwältin oder dem Anwalt, dass normalerweise die sog. Unentgeltliche Rechtspflege in dieser speziellen Konstellation bewilligt wird. Wenn Sie jedoch Vermögen haben (mehr als ca. CHF 25'000.00), müssten Sie das selbst bezahlen, falls das Gericht Sie nicht aus der medizinischen Einrichtung entlässt. Das ist ein gewisses Risiko, doch das soll Sie nicht davon abhalten, wenn Sie wirklich dringend raus möchten .... 

Sie sind selber Anwältin oder Anwalt und haben Sie Interesse daran, Vertretungen in "FU-Fällen" zu übernehmen? Zögern Sie bitte auf keinem Fall, mich zu kontaktieren, ich freue mich sehr darüber und bin froh, wenn diese Internet-Seite hier verbessert und erweitert werden könnte. Dies bspw. dadurch, dass interessierte Anwälte direkt hier verlinkt werden. Theoretisch wäre technisch gesehen auch eine anonyme Verlinkung möglich.

Auch die Stiftung Pro Mente Sana bietet Beratung und Hilfe für Betroffene an.

In den meisten Kantonen gibt es rund um die Uhr Hilfe von Notfallpsychiatern. Diese sind auch über die Notrufnummer 144 erreichbar.

(c) Rechtsberatung Schmid